Quantitatives Benchmarking
Benchmarking ist grundsätzlich eine tolle Sache. Man vergleicht sein
Angebot mit den Besten der eigenen Branche oder einer anderen Branche,
die aber in bestimmten Bereichen vergleichbar erscheint. Man zerlegt
und analysiert das Auto der Konkurrenz oder versucht herauszufinden,
warum der Drucker der Wettbewerber billiger als der eigene ist. Oder
man analysiert den Warenumschlag anderer Fliesenfachhändler.
Wie auch immer: Man möchte von den Besten lernen, also die
´best practices´ für sein Unternehmen einsetzen. Das klingt gut
und kann gut sein.
Problematisch ist jetzt folgendes: Man möchte
die richtigen Dinge tun und beispielsweise die Frage klären, ob man
als mittelständischer Fliesengroßhändler sein Natursteingeschäft ausbauen
sollte oder nicht. Hier sind wir im Bereich der Effektivität
(mit Mitteleinsatz das Ziel erreichen).
Davon abzugrenzen wäre
die Frage, um im Beispiel zu bleiben, wie intensiv das neue Geschäftsfeld
betreut werden soll. Es geht um die Effizienz. Man möchte ein
zu definierendes Ergebnis mit geringen Mitteln erreichen. Die Ressourcen
sollen einer guten Verwendung zugeführt werden, um sogenannte Fehlallokationen
und damit Verschwendungen zu vermeiden.
Und Effizienz hat nichts
mit Effektivität zu tun. Man kann nicht ein Maximum an Output
mit einem Minimum an Mitteln erreichen. Das ist Unfug. Eine Größe muss
konstant gesetzt werden.
Dies ist ein Aspekt, der beim Benchmarking
gerne unsauber bearbeitet wird. Die Ebenen werden nicht eindeutig definiert.
Häufig wird auch der für die Befragung ausgewählte Personenkreis
nicht an die Fragestellung angepasst. Für derartig unterschiedliche
Ansätze benötigt man aber häufig unterschiedliche Personen.
Weiterhin
ist problematisch, dass der Vergleich mit den besten nicht immer die
besten als Vergleichsmaßstab berücksichtigt, sondern nur die, über die
Daten vorliegen. Selbst wenn Sie sich z.B. mit den erfolgreichsten
im Franchiseverbund, den umsatzstärksten Ihrer Kooperation oder den
Rohertragskönigen Ihrer Region vergleichen, so sagt auch das noch nicht
viel aus. Denn es mag und wird wesentlich bessere geben. Diese werden
sich aber möglicherweise nicht mit Ihnen an einen Tisch setzten. Oder
warum sollten Wettbewerber Ihnen Ihre Wettbewerbsvorteile erzählen?
Sie sollten drei Dinge gut spielen: Poker, Schach und Skat. Sie
brauchen Selbstbeherrschung und Disziplin, Können, Strategie, Nerven
und teilweise auch eine glückliche Hand. Normalerweise jedoch bekommen
Sie nicht alle richtigen, aktuellen und relevanten Informationen.
Und wer behauptet, er könnte seriös Ihr Unternehmen mit den Besten
vergleichen, muss sich auch die Frage gefallen lassen, wieso er denn
glaubt die „wahren" Informationen zu haben und woher
diese stammen. Sie merken schon, worauf es hinausläuft - zumindest wenn
Sie es kritisch hinterfragen.
An dieser Stelle soll auf die ganzen
Unterformen nicht im Detail eingegangen werden. Nur ein Hinweis noch,
da gerade das quantitative Benchmarking sehr populär ist. Nehmen
wir ein einfaches Beispiel: Umsatz pro Mitarbeiter, eine absolut
und simpel zu quantifizierende Zahl. Wenn Sie feststellen, dass Ihre
Umsätze pro Mitarbeiter höher sind als die Ihrer Wettbewerber (die Ihnen
die korrekten Zahlen gegeben haben) oder am höchsten im Konzern oder
der Kooperation, so sagt das zunächst relativ wenig bis gar nichts aus.
Im schlimmsten Fall wurden nur die Anzahl der Köpfe gezählt und die
zugrundeliegenden Stunden nicht
berücksichtigt. Oder die Höhe der
Personalkosten wurde nicht berücksichtigt. Oder nicht vergleichbare
Regionen wurden verglichen. Oder bestimmte Wettbewerbsverhältnisse vor
Ort wurden nicht berücksichtigt. Oder, oder, oder ...
Was macht
ein Mittelständler, wenn ein anderes Kooperationsmitglied mehr Umsatz
pro Mitarbeiter macht, vor der eigenen Tür aber ein Wettbewerber mit
ausgeprägter Kundenorientierung und großer quersubventionierter Mitarbeiteranzahl
sitzt, um Sie zum Aufgeben zu zwingen? Personal abbauen? Na dann herzlichen
Glückwunsch! Auch das kann funktionieren, dann aber bitte nicht wegen
einem quantitativen Benchmark.
Weiß ist am Zug.
Welche Seite würden Sie lieber spielen? Da nach der Damenumwandlung
das Matt für Schwarz unausweichlich ist, ist es einfach.
Obwohl
ein quantitativer Benchmark allein betrachtet doch zu dem Schluss kommen
müsste, dass Schwarz einen Figurenvorteil von zwei Bauern hat.
Offenbar gibt es also noch weitere Aspekte wie die Qualität der
Stellung.
Natürlich ist diese Stellung wenig anspruchsvoll. Aber
eins wird deutlich. Gerade wenn es komplizierter wird ist es umso wichtiger,
nicht ohne nachzudenken und nicht ohne kritisches Hinterfragen einen
quantitativen Benchmark zu bewerten. Und mit den qualitativen Benchmarks
ist es leider genauso.
Man merkt sehr schnell: Die erfolgreiche
Positionierung und Führung eines Unternehmens am Markt erfordert mehr
als das. Vor allem ist ein eigener Weg gefragt. Der Prozess des
Nachdenkens bleibt einem weder mit positiven quantitativen noch qualitativen
Benchmarks erspart. Manche Benchmarks sind erschreckend wenig wert.
Und selbst wenn Ihre Benchmarks noch so positiv aussehen: Sie wissen
nicht, was darüber hinaus noch möglich wäre.
Bleiben Sie also
kritisch. Es geht immer nur um Ihr Optimum, und das ist daher auch sehr
individuell.
Wenn Sie Ihre Unternehmensplanung, -steuerung und
-kontrolle um harte und auch im Zeitablauf nachprüfbare Fakten bereichern
wollen, rufen Sie mich an.
Ihr Christian Netz